"MIDGARD" DEUTSCHE SEEVERKEHRS-AKTIENGESELLSCHAFT

Mehr als 2,5 Millionen Mark hatte sich der oldenburgische Staat von 1874 bis 1898 den Bau einer Pieranlage in Nordenham kosten lassen. Aber nach dem Wechsel des Norddeutschen Lloyd auf die andere Weserseite nach Bremerhaven, erlitt das Großherzogtum in jedem Jahr erhebliche finanzielle Einbußen. Erst die Bemühungen des Bremer Kaufmanns Adolf Vinnen führten dazu, daß der Landtag 1904 damit einverstanden war die Hafenanlage zu privatisieren.

Am 10. November 1905 gründete in Berlin ein Konsortium Bremer, Hamburger und Berliner Firmen sowie Banken die "MIDGARD" Deutsche Seeverkehrs-AG mit Sitz in Nordenham. Das Stammkapital betrug 3,5 Mio. Mark in Aktien; außerdem wurden 2,5 Mio. Mark in Anleihen ausgegeben. Die Leitung nahm Adolf Vinnen selbst in die Hand. Das im Gesellschaftsvertrag festgelegte Grundkapital von 3,5 Mio. Mark wurde in 3500 Inhaberaktien zu je 1000 Mark Nennwert eingeteilt. Am 8. Dezember 1905 wurde die Midgard in das Handelsregister des damaligen Amtsgerichts Ellwürden eingetragen. Die Hafenanlagen wurde am 1. März 1906 übernommen.

Der Staatsvertrag sah den Verkauf des gesamten Hafens mit Pier- und Gleisanlagen, Gebäuden und sonstigen festen Anlagen an die Midgard vor. Der Kaufpreis betrug 1,2 Mio. Mark, also die Hälfte der ursprünglichen Baukosten. Er war zahlbar als feste Jahresrente in Höhe von 12000 Mark.

Die Midgard begann sofort mit dem Ausbau der Hafenanlagen. Die Gleisanlagen wurden erneuert und elektrische Anlagen und Wasserleitung gebaut. Die vorhandenen Speicher wurden ausgebessert und moderne Stockwerkspeicher errichtet. Außerdem wurde mit dem Bau von 4 großen und 6 kleinen Brückenkränen und 4 Schwingkränen begonnen.

Midgard von 1928 (229 KB)                                                   mit der sagenhaften Midgardschlange

In den Jahren 1906-1908 war der Verkehr an den Pieranlagen wegen der Bautätigkeiten noch gering. Im Jahre 1911 wurden jedoch bereit ca. 850 NRT umgeschlagen. Doch schon bald gab es Differenzen zwischen dem Aufsichtsrat und dem Vorstand. Adolf Vinnen zog aus diesen Auseinandersetzungen die Konsequenz und gab seine Position auf. Daraufhin verhandelte die Bank für Handel und Industrie in Berlin, die maßgeblich am Kapital der Midgard beteiligt war, mit dem Kaufmann Hugo Stinnes aus Mülheim. Er war einer der Industriekapitäne des nordrhein-westfälischen Industriegebietes. Die Bank bot ihm an, die Midgard zu übernehmen und dadurch für die Großindustrie des Ruhrgebietes einen neuen günstige Weg zur Nordsee zu schaffen. Die Bemühungen hatten Erfolg. Der Stinnes Konzern und die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten-AG erwarben die Mehrheit der Midgard.

In den folgenden Jahren entwickelte sich der Hafen zusehends. Abgesehen von der Ein- und Ausfuhr von Massengütern wurde auch Stückgut ein- und ausgeführt. Verschiedene Dampferlinien ließen regelmäßig auch Nordenham anlaufen, so z.B. die Woermann-Linie, die Deutsche Levante-Linie und die Hamburg-Amerika-Linie. Die Dampfer kamen von der Elbe und nahmen in Nordenham die auf der Weser gesammelten Güter an Bord, oder liefen auf der Heimreise Nordenham an und löschten die für die Weser im Ausland an Bord genommenen Güter.

Während des 1. Weltkriegs wurde der Hafen durch Marine und Heer in Anspruch genommen. Gleich in den ersten Kriegstagen wurden im Hafen die Kriegsschiffe mit Kohle versorgt. Im Durchschnitt wurden 400 Tonnen Kohle in drei Stunden verladen. Nordenham war dann während des Krieges Erzumschlaghafen. Die Erze kamen aus Nord- und Mittelschweden mit deutschen Dampfern nach Nordenham und wurden hier gelagert oder mit Kahn und Bahn in die rheinischen Hüttenwerke befördert. Während des 1 Weltkriegs wurde in Nordenham mehr Erz umgeschlagen als in den übrigen Weserhäfen zusammen. In den letzten Kriegsjahren war Nordenham dann überwiegend Speicherhafen. Gelagert wurden Wolle,, Garne und große Posten Lebensmittel. Bevor dann 1918 viele der Seedampfer von Nordenham an England abgeliefert wurden. In den Folgejahren begann man langsam die Verluste an Schiffen durch Umbau von älteren Schiffen und durch Neubau von Hochseedampfern auszugleichen.

1925 kaufte die "Midgard" die "Visurgis" Heringsfischerei GmbH. Mit den von der Gesellschaft übernommenen und einigen neu gebauten Loggern betrieb sie fast 15 Jahre Heringsfischerei. Im Jahre 1928 erfolgte daher die Umfirmierung in "Midgard, Deutsche Seeverkehrs- und Heringsfischerei AG", aber bereits 1931 wurde dieser Schritt wieder rückgängig gemacht. Die Heringsfischerei war kein finanzieller Erfolg. Mit dem Abschluß eines Vertrages mit einer britischen Kühlreederei begann einer Aera in der das Bunkergeschäft für die "Midgard" eine wesentliche Rolle spielte. In diesem Zusammenhang wurden Umschlags- und Lagermöglichkeiten für flüssige Brennstoffe geschaffen und 1938 Getreidesilos gebaut. Außerdem betrieb man zwischen den beiden Weltkriegen einen regelmäßigen Seeleichterdienst zwischen Bremen und Hamburg.

Im Krieg wurde Nordenham nicht beschädigt und so konnte der Hafen weiterentwickelt werden. Im Jahr des 50-jährigen Bestehens beschäftigte die "Midgard"  über 1.000 Mitarbeiter. Die Gesellschaft gehört bis heute zur Stinnes AG, wurde Tochter der Rhenus AG und Anfang 1998 an die Rethmann AG & Co. verkauft.

Für den Sammler historischer Wertpapiere stehen heute folgende Stücke in ausreichender Zahl zur Verfügung:

November 1908     1.000 Mark

Oktober 1934          500 Reichsmark

 

Dabei ist zu beachten, daß die Stinnes-Unterschrift auf dem jüngeren Stück nicht die des Mitbegründer der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) war, dieser war bereits 1924 verstorben. Es handelte sich vielmehr um seinen Sohn Hugo Stinnes jr.