SCHIFFSWERFT VON HENRY KOCH AG, LÜBECK

Die Geschichte der Schiffswerft von Henry Koch ist ebenso außergewöhnlich wie kurz. Geboren 1832 als Sohn eines Elbschiffers, verschlug es Henry Koch als Seemann 1851 nach Australien. Dort zog er auf die Goldfelder in die Nähe von Bendigo. Bald schon hatte er sich etabliert und die Suche nach Gold war wohl erfolgreich. Henry Koch heiratete die Deutsche Maria Heintz, die ihm 14 Kinder gebar, von denen allerdings "nur" 10 überlebten. 1858 wurde er australischer Staatsbürger und in den Folgejahren wuchs seine zwischenzeitlich gegründete Firma. Koch's Pioneer Quartz Mining & Crushing Co. wurde 1872 als größte derartige Anlage der Welt bezeichnet. Aber Henry Koch verkaufte die Firma 1872, kehrte Australien den Rücken und kam zurück nach Deutschland.

Nach seiner Rückkehr begann er in Lübeck Grundstücke zu kaufen und erwarb eine kleine Dampfschifffahrts-Gesellschaft. 1877 gründete er dann die Dampfschifffahrts-Gesellschaft Pioneer, die neben der Passagierschifffahrt auch das Bugsiergeschäft betrieb. 1878 kaufte er die Meyersche Werft hinzu und strukturierte den Betrieb um, denn Henry Koch sah die Zukunft des Schiffbaus im Bau stählerner Schiffe.

Die "Pioneer" wurde auch im Schiffbau tätig und begann 1880 mit Schiffbau und -reparatur. Daher war es nur logisch, dass er die "Pioneer" schloss und am 1. Dezember 1882 die Schiffswerft von Henry Koch gründete. Dabei half die Stadt Lübeck kräftig mit, denn erst ein Vertrag, der einen Grundstückstausch zum Inhalt hatte, sicherte der künftigen Werft ein für ihre Zwecke geeignetes Grundstück. Schon 1883 dann der erste Stapellauf des ersten in Lübeck gebauten eisernen Schiffs, dem bis 1887 noch 22 weitere Schiffe folgten.

1888 starb Henry Koch im Alter von 56 Jahren. Da seine Frau kurz vor ihm verstorben war, erbten sieben seiner Kinder die Firma, die sie bis zum Verkauf 1908 leiteten. Bis dahin wurde die Gesellschaft als OHG geführt. 1908 erfolgt dann die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Die Gründe hierfür lagen wohl zum Teil auch in der Problematik, dass die sieben Eigentümer nicht immer einer Meinung waren und da jeder mit seinem gesamten Privatvermögen haftete, wollte sich mancher wohl von seinem Anteil trennen. 

Das Grundkapital der neuen AG betrug 1.000.000 Mark und war in 1.000 Aktien gestückelt. Und sie hatte sogleich mit wirtschaftlichen Sorgen zu kämpfen. Die Jahre 1908 und 1909 waren schlechte Jahre im Schiffbau. So wurde zur Sanierung der Werft Ende 1909 die Lübecker Dock-Gesellschaft GmbH gegründet, welche die Schwimmdocks übernahm. Trotzdem musste 1910 das Grundkapital im Verhältnis 5:3 herabgesetzt werden, so dass es danach nur noch 600.000 Mark betrug. Dann aber schien es wieder bergauf zu gehen und die Werft wies im 1911 einen Gewinn in Höhe von 181.000 Mark aus.

Der 1. Weltkrieg traf das Unternehmen kaum. Nur wenige Kriegsschiffe mussten produziert werden, so dass auch in diesen Jahren der zivile Schiffbau im Vordergrund stand. 1916 schließlich wurde das Kapital auf 3.600.000 Mark erhöht. Den Betrag übernahm übrigens die Vereinsbank in Hamburg, die damit Mehrheitsaktionär wurde. Im gleichen Jahr begann  ein Programm zur Erweiterung der Werft, dass aber schon 1918 wieder gedrosselt werden musste.

HenryKoch 1916.jpg (847626 Byte)        HenryKoch 1923.jpg (901581 Byte)        HenryKoch 1925.jpg (144422 Byte)

Die Nachkriegsjahre machten der Werft zu schaffen. 1919 wurde die Lübecker Dock-Gesellschaft liquidiert und nach einem sehr guten Jahr 1920 das Eigenkapital auf 7.200.000 Mark erhöht. Mit diesem Mittelzufluß wurden die Erweiterungsarbeiten wieder aufgenommen. Doch schon bald musste das Kapital erneut erhöht werden. Die Mittel hatten bedingt durch die Geldentwertung nicht ausgereicht. 1922 daher eine erneute Kapitalerhöhung um 7.800.000 Mark auf 15 Mio. Mark.  Was folgte war die Krise und eine Bilanz, die nach Umstellung 1925 nur noch ein Eigenkapital in Höhe von 500.000 RM auswies. Zwar wurde dieses Kapital noch 1925 durch die Ausgabe von Vorzugsaktien auf 750.000 RM erhöht, aber die folgenden Geschäftsjahre waren schlecht. So war bis 1930 ein Drittel des Eigenkapitals durch Bilanzverluste aufgebraucht.  Einzige Möglichkeit wäre nun ein erneute Sanierung oder der Zusammenschluss mit einer anderen Werft gewesen.  

All dies kam wie wir heute wissen, nicht zustande und so lief 1930 das letzte Schiff bei Henry Koch vom Stapel. Was folgte war ein langsamer Tod. Sanierungs- und Übernahmepläne wurden geschmiedet und wieder verworfen. Das Eigenkapital wurde schließlich auf 350.000 RM herabgesetzt und nachdem alle Übernahme Verhandlungen negativ endeten, mussten die Werftgrundstücke 1934 zwangsversteigert werden. Der Betrieb wurde stillgelegt und am 31. Mai 1934 das Konkursverfahren beantragt. Im Juni 1935 wurde dieses Verfahren nach erfolgter Schlußverteilung aufgehoben. Die Löschung der Firma erfolgte schließlich am 19. Juli 1935.

In eigener Sache:

Zum Schluss mache ich eine "Werbeausnahme" und empfehle Ihnen das Buch "Die Schiffswerft von Henry Koch" von Heinz Haaker. Ein Buch aus der Reihe des Deutschen Schifffahrtsmuseums aus dem auch ich viele Informationen habe, die in den Börsenhandbüchern nicht enthalten sind. Ein reich bebildertes Buch, das ich jedem der an der Geschichte dieser Werft und am Schiffbau in Lübeck  interessiert ist nur empfehlen kann.